Die Wahl von Verfassungsrichtern ist seit Jahren ein routinierter und gut etablierter Prozess: Der Wahlausschuss des Bundestages berät die Vorschläge der Fraktionen. Wenn dort eine 2/3 Mehrheit besteht, wählt der Bundestag in getrennten Wahlgängen die Kandidaten. Auch dann wird eine 2/3 Mehrheit benötigt. Doch bei der letzten Plenarsitzung kam es zu einem unerwarteten Eklat kurz vor der Abstimmung. Die Unionsfraktion forderte plötzlich die Absetzung der Wahl einer Kandidatin, angeblich wegen Plagiatsvorwürfen.
Dieses überraschende Vorgehen gefährdet unser höchstes Gericht. Verantwortlich für dieses Chaos ist die Fraktion CDU/CSU, insbesondere der Vorsitzende Jens Spahn. Nach einer aus rechtsextremen Kreisen angefachten Debatte über eine sehr kompetente Juristin, die nicht eingefangen wurde, ging man unvorbereitet in die Wahl.
Dabei hat Spahn seine Fraktion nicht im Griff. Nachdem der Richterwahlausschuss drei geeignete Kandidaten mit der erforderlichen Mehrheit vorgeschlagen hatte, vollzogen CDU/CSU eine plötzliche Kehrtwende: Sie wollten eine Kandidatin auf einmal nicht mehr wählen. Ein Vorgang, der im Bundestag so noch nie vorgekommen ist.
Dieser Vorgang ist respektlos gegenüber den hervorragenden Kandidaten und gegenüber dem Gericht. Das Bundesverfassungsgericht schützt unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat. Entsprechend vorsichtig müssen wir mit dem Gericht umgehen. Der Schaden, der durch dieses verantwortungslose, parteipolitische Machtspiel entstanden ist, ist groß und muss schnell behoben werden, um das Vertrauen in unsere demokratischen Institutionen zu bewahren und die Unabhängigkeit der Justiz zu sichern.